BAUTEIL-ENTWICKLUNG

Über die problematischen Klimabilanzen vieler Baustoffe hinaus werden in keinem anderen Wirtschaftsbereich größere Stoffströme wie in der Bauwirtschaft benötigt und bewegt, was weltweit zu einem immensen Verbrauch natürlicher Ressourcen und enormen Transportaufkommen führt und dem Nachhaltigkeitsaspekt grundsätzlich entgegensteht.

  • Das Bauwesen ist für ca. 60 % der weltweit verbrauchten Ressourcen verantwortlich. Die jährlich eingesetzten Mengen an Baustoffen steigen stetig und belaufen sich heute weltweit auf mehr als 17 Mrd. t/a. Damit ist der Bausektor einer der rohstoffintensivsten Wirtschaftssektoren, wobei sich die Ressourcenausbeutung durch den steigenden Bedarf zunehmend verschärft.
  • Deutschland verbraucht rund 3 % der weltweiten Baustoffmenge seit Jahrzehnten. Die resultierenden Probleme sind vielerorts zu spüren, denn zur Herstellung dieser benötigten Baustoffmenge werden jährlich rund 550 Mio. t/a mineralische Rohstoffe aus heimischen Steinbrüchen und Tagebauen gewonnen, wobei der Abbau einen enormen Eingriff in das Ökosystem darstellt und häufig karge Folgelandschaften hinterlässt.
  • Die aus dem Rückbau bzw. Abbruch bestehender Bausubstanz resultierenden Reststoffe stellen mit 54,1 % bzw. 220 Mio. t/a den dominierenden Anteil am Gesamtabfallaufkommen dar. Davon wird nur etwa ein Drittel (≈ 72,5 Mio. t/a) im Baubereich rezykliert und dabei überwiegend zur Bodenaufbereitung, Straßenbau und Gründung eingesetzt (à Downcycling). Nur ein sehr geringer Anteil davon wird heute bereits zur Baustoff- bzw. Bauteilherstellung zurückgeführt, was einer tatsächlichen Schließung von Stoffkreisläufen (Cradle-to-Cradle) entspricht.

Mit effizienteren Verfahren und Technologien bei der Rohstoffgewinnung, Aufbereitung und Weiterverarbeitung zu Baustoffen und Bauteilen kann der Rohstoffbedarf nachhaltig gesenkt werden. Wir arbeiten deshalb beispielsweise in diesem Feld an folgenden Themen:

  • Entwicklung neuer Strukturen und Formen, die den Baustoffbedarf bei der Bauteilherstellung erheblich senken. Hier entwickeln wir z. B. Lösungen, um gleiche Festigkeiten durch Materialstrukturierung bei geringeren Abmaßen zu erzielen oder durch Porosierung geringere Materialmengen zu verbrauchen.
  • Die aufgrund der Bauwerkskonstruktion mögliche maximale Nutzungsdauer wird heute in vielen Fällen aufgrund von überalterten Infrastrukturen oder veränderten Nutzungsanforderungen nicht annähernd ausgeschöpft. Es fehlen oft flexiblere Nutzungskonzepte und -möglichkeiten („Built-in-flexibilities“), an denen wir arbeiten.
  • Auch Infrastrukturelemente sowie Wand-/Installationselemente müssen zukünftig austauschbar in Gebäuden implementiert werden, um bei Modernisierungsanforderungen die restliche Bausubstanz weiter nutzen zu können. Entsprechende Wand- und Installationselemente sowie Einbauverfahren und Vorschriften entwickeln wir.
  • Neben vielen Vorteilen hat Beton als Massenbaustoff den Nachteil, dass er ziemlich schwer ist, weshalb wir Betonbauteile mit deutlich geringerem Gewicht entwickeln. Hierfür bietet sich beispielsweise der „gradierte Beton“ an, welcher die besondere Eigenschaft hat, dass sich die Materialeigenschaften im Bauteilinneren verändern. Die materielle Zusammensetzung kann flexibel an die jeweiligen äußeren Beanspruchungen und Belastungen angepasst werden.

Flankierende Forschungsprojekte

LaStrohBau

Lastabtragender Strohballenbau für landwirtschaftliche Nutzbauwerke und Wohngebäude - Erarbeitung statisch-konstruktiver und bauphysikalischer Bemessungsgrundlagen

Ziel des geplanten Kooperationsvorhabens ist es, statisch-konstruktive und bauphysikalische Grundlagen für die Bemessung und Nachweisführung von Strohballenmauerwerk zu erarbeiten. Um dies zu erreichen, ist es unerlässlich, eine Klassifizierung der lastabtragenden Strohballen bezüglich ihrer statisch konstruktiven Eigenschaften vorzunehmen. Ausgangspunkt für eine Klassifizierung sollen vorkonditionierte Strohballen sein, denen definierte Festigkeits- und Formänderungsparameter zugeordnet werden können. Die Konditionierung soll über gezielte Vorbeanspruchungen der Strohballen und einer damit verbundenen Verdichtung und Vorwegnahme zeitabhängiger Formänderungsanteile realisiert werden. Durch die gezielten Vorbeanspruchungen sollen in den Strohballen Eigenspannungszustände (Vorspannungen) erzeugt werden, die eine Klassifizierung des Wandbaustoffs unabhängig von den Eigenschaften des Ausgangsmaterials ermöglichen.

GRADTON

Bauteile aus gradiertem Beton zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensqualität

Das Verbundprojekt hat zum Ziel, ein Verfahren zu entwickeln, mit welchem es möglich ist, Betonelemente herzustellen. Die Besonderheit dieser Elemente besteht darin, dass über den Querschnitt sowohl lastabtragende bzw. wärmespeichernde als auch wärme- bzw. schalldämmende Eigenschaften erzeugt werden sollen. Obwohl im Endprodukt die zuvor erwähnten Eigenschaften voneinander getrennt sind, soll die Herstellung der Elemente in einem Fertigungsgang aus einer Frischbetonmischung möglich sein. In dem neuartigen Lösungsansatz soll eine Separierung unterschiedlich dichter Körnungen in flüssigen Medien ausgenutzt werden. Das Medium ist hier eine fließfähige Bindemittelmatrix, welche sowohl ein kontrolliertes Aufschwimmen leichter Körnungen als auch ein bewusstes Absinken schwerer Gesteinskörnungen erlaubt. Das Absinken bzw. Aufschwimmen der unterschiedlichen Körnungen wird durch eine gezielte Verdichtung des Betons nach dem Befüllen der Schalung unterstützt.

 

Quellen:

Bundesverband Baustoffe - Steine und Erden e. V., „Die Nachfrage nach Primär- und Sekundärrohstoffen der Steine- und-Erden-Industrie bis 2035 in Deutschland“, 2019.


M. R. Sören Steger, „Stoffstromorientierte Ermittlung des Beitrags der Sekundärrohstoffwirtschaft zur Schonung von Primärrohstoffen und Steigerung der Ressourcenproduktivität“, Umweltbundesamt, Dessau-Roßlau, 2019.


Bundesverband Baustoffe - Steine und Erden e. V., „Mineralische Bauabfälle Monitoring 2018 - Bericht zum Aufkommen und zum Verbleib mineralischer Bauabfälle im Jahr 2018“, Bundesverband Baustoffe - Steine und Erden e. V., 2021.


H. Hermann, Vortrag Die deutsche Braunkohlenwirtschaft: Historische Entwicklung und das Kohleausstiegsgesetz – Auswirkungen auf die Gipsbereitstellung, Berlin, 2020.


A. Müller, Baustoffrecycling: Entstehung - Aufbereitung - Verwertung, Wiesbaden: Springer Vieweg, 2018.


M. Janson, „Sand wird immer teurer.“, 08. 02. 2018. [Online]. Available: https://de.statista.com/infografik/12844/sand-erzeugerpreisindex/. [Zugriff am 06. 01. 2021].


„Bau- und Rohstoffindustrie warnen vor Knappheit bei Sand und Kies,“ BOERSE ONLINE, 27. 11. 2019. [Online]. Available: https://www.boerse-online.de/nachrichten/aktien/bau-und-rohstoffindustrie-warnen-vor-knappheit-bei-sand-und-kies-1028721955. [Zugriff am 06. 01. 2021].